Nordkorea – das letzte Reisegeheimnis der Erde

Das Land sorgt immer wieder für negative Schlagzeilen. Dieses Bild schien mir jedoch zu einseitig. Auf meiner Reise in Nordkorea suchte ich nach diversen Antworten. Zurück kam ich jedoch mit fast mehr Fragen.

Kann das Leben dort wirklich so komplett anders sein als das unsrige? Ich habe auf all meinen Reisen viele Eindrücke mitgenommen. Nordkorea stellte für mich eine Tabula rasa dar, ein unbeschriebenes Blatt. Was hat es auf sich mit der selbst inszenierten Form des Kommunismus, die sogenannte Juche-Ideologie? Wie leben die Menschen so ganz abgeschottet vom Rest der Welt? Ohne Internet und freie Medien? Weshalb wird der Gründer der Juche-Ideologie, Kim Il Sung, so verehrt, als wäre er King of Pop, Vater, Sohn, Bruder und Gott zugleich?

Auch die kleinen Dinge im Leben machen das Leben lebenswert, oder gerade erst recht. Und somit stellte ich auch die kleinen Fragen. Haben Nordkoreaner Ferien? Wie feiern sie Hochzeit und Geburtstage? Gibt es bei ihnen so etwas wie Stammkneipen, in denen mal eins über den Durst getrunken wird? Haben sie Haustiere, die auf Namen wie Schnurrli oder Sheriff hören? Was essen sie zum Frühstück? Für mich als Freidenkerin stellten sich viele Fragen. Ich hoffte, sie durch meine Reise beantworten zu können. Als Tourist in Nordkorea verspürst du keinen Tag, nein, keine einzige Stunde den kleinsten Hunger. Dafür ist gesorgt.

Essen ist viel mehr als nur Nahrungsaufnahme. Spätestens, wenn man in andere Kulturen eintaucht, setzt man sich intensiver mit dem Essen auseinander. Essen bedeutet für mich die Verbindung zwischen Mensch und Kultur.

In jedem Land kann man unaufhörlich über das Essen reden, selbst wenn man nicht Herr der Sprache ist. Bei der Suche nach nordkoreanischen Spezialitäten im Internet ist die Information sehr dürftig, Lektüre zu Straflagern und Geheimdiensten ist dagegen omnipräsent. Fotos, Filme, Skizzen und Text: Viele Informationen sind vorhanden und viele auch nur vage oder gar fehlerhaft.

Touristen sollen sich rundum versorgt fühlen. Das fängt bei den Mahlzeiten an und hört mit einem kurzen Spaziergang auf. Begleitung ist garantiert – zu meiner eigenen Sicherheit, wie mir mitgeteilt wird. Alleine ist man nie. Viele meiner Fragen konnten oder durften nicht beantwortet werden. Und dabei waren es keine schwierigen Fragen, sondern Fragen, die den Alltag der Nordkoreaner betreffen. Und so verstummte ich je länger ich reiste. Auf die einfachsten Fragen kamen noch einfachere Antworten. I don’t know, hiess es oft. Vielleicht war diese Aussage öfter wahr, als ich glauben mochte. Ich weiss bis heute nicht, welche der erhaltenen Informationen ich glauben kann. Ich war nach acht Tagen müde geworden, meine Fragen zu stellen, da die Antworten absehbar waren. Ich war nun froh, in einem Land zu leben, in dem freie Meinungsäusserung herrscht, in dem man seine Freizeit, Kleidung und Freunde selbst aussuchen darf und gar über Themen abstimmen kann wie die Abschaffung der Armee oder den Bau eines Fussballstadions.

Pjöngjang sieht aus, als hätten verrückte Stadtplaner in den Sechzigerjahren ihre Modelle aufgestellt und vergessen, sie wieder abzubauen. Alles wird in protziger Grösse erstellt.

Das Arirang-Festival, benannt nach dem beliebtesten Volkslied der Koreaner, das als Ersatz für eine Nationalhymne verwendet wird, ist 2007 ins Guiness-Buch der Rekorde aufgenommen worden. Über 100 000 Nordkoreaner zeigten damals mittels Massentänzen und Massengymnastik die Geschichte der Landesspaltung, aber auch Episoden aus der Gegenwart. Am 09.09.2012 fand die letzte Vorführung statt.

Das Arirang-Festval zeigt die Geschichte der Landesspaltung.

Ich sehe gigantische Kulturpaläste, weite Ehrenplätze, riesige Kim-Statuen und ebenso viele Kim-Bilder. Die Kims (in der Zwischenzeit sind es drei) sind omnipräsent.

Der Juche-Gründer Kim Il Sung ist auch nach seinem Tod so stark präsent, als stünde er noch immer an der Führungsspitze. Unzählige grau-weisse Plattenbauten ragen um die Wette, als gehe es darum, als Erster den Himmel zu erreichen. Aber die einst so strahlende Kommunistenstadt verrottet. Der Lack blättert ab. Überall sieht man Risse, und selbst die achtspurigen Autobahnen sind nur noch bedingt befahrbar.

Den 50 Meter hohen Arc de Triomphe findet man nicht nur in Paris, er ist auch in Nordkorea aus dem Nichts gestampft worden. Jedoch ist der Triumphbogen in Nordkorea ganze 3 Meter höher. Zahlen sind in Nordkorea wichtig. Immer wieder spricht mein Reiseführer Kim den auswendig gelernten Text auf Deutsch herunter, und er scheint mit Stolz erfüllt zu sein, wenn seine Fragen bezüglich Gewicht, Höhe und Anzahl Baujahre der Gebäude in Zürich meinerseits nur spärlich beantwortet werden können. Wenn es eine Internetverbindung gegeben hätte, dann hätte ich diese Fragen mit zwei, drei Klicks beantworten können.

Ich gebe zu: Zahlen sind nicht mein Ding, aber das stört mich nicht sonderlich. Das Wissen, wo man die Informationen herkriegt, reicht aus. Einmal mehr ist mir bewusst geworden, dass das Internet das Fenster zur Aussenwelt bedeutet, das den Nordkoreanern bis zum heutigen Tag verschlossen bleibt.

Zurück zu Wichtigsten: Das Essen ist vielseitig und immer umfangreich, auch wenn es in kleinen Portionen serviert wird. Die Menge der Portionen macht’s jedoch aus. Kohl wird zu allen Mahlzeiten gereicht. Kimchi, der gekochte Kohl, wird oft an einer leicht scharfen, säuerlichen Sauce serviert.

Aber es gibt auch viel dünn geschnittenes Fleisch vom Schwein und Rind. Hie und da serviert man Besuchern Gerichte, die nicht typisch nordkoreanisch sind. Als die Reisebetreuung hörte, dass ich die italienische Küche mag, organisierte sie kurzerhand für denselben Abend ein Restaurant, das Pizza im Angebot führt. Absolutes kulinarisches Highlight waren aber gekochte Muscheln mit Benzin.

Zubereitet wurde das Gericht mit dem Benzin des Autos unseres Fahrers, die Köche waren meine Reiseführer höchstpersönlich. Das Gericht gilt als Delikatesse des Landes und wer die gebrannten Muscheln isst, darf dabei laut schmatzen. Das Rezept ist einfach. Man benötigt lediglich Muscheln, Benzin und eine Steinplatte. Ein Nachkochen empfehle ich jedoch nicht. Zu sehr litt ich eine Nacht unter ständigem Benzingeschmack im Munde. Ein wahres kulinarisches Highlight.

Auf die Frage, ob ich ein zweites Mal nach Nordkorea gehen würde, antworte ich mit einem Nein. Zu einengend und kalkuliert war die Reise, zu straff der Acht-Tage-Plan. Und zu viele Fragen blieben unbeantwortet. Ich hoffe für die Nordkoreaner, dass die Regierung bald eine Lösung für ein Friedensabkommen findet. Ein Friedensabkommen wäre der Schlüssel zu einem besseren Leben, denn es würde die Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen ermöglichen. Gäbe es ein solches Friedensabkommen, würde ich die Frage nach einem zweiten Besuch in Nordkorea bejahen. Falls dieser Tag einmal eintreffen sollte, werde ich meine kleine Reisegruppe aufsuchen und mit ihr ein Bier in ihrer Lieblingskneippe trinken gehen. Und wer weiss, vielleicht führen wir dann ein ganz normales und schon fast belangloses Gespräch über den nordkoreanischen Alltag wie beispielsweise über die Namen der Haustiere, Freizeitgestaltung und das Essen.

Bild, Video und Text: Denise Ferrarese